lundi 22 mars 2021

Ein neuer Rhythmus

Der Garten folgt dem Rhythmus der Natur und nicht dem des Kalenders. Der Rhythmus der Natur ist manchmal verlässlicher als ein Kalender.

Sie sog die milde Frühlingsluft ein und fühlte der frischen Kirschblütenduft ihre Lungenflügel füllte.

"April. Am Donnerstag beginnt die Osternfreizeit. Also in drei Tagen." dachte Maré. Sie hatte die Vorhänge am Fenster zur Seite geschoben und betrachtete die beiden Kirschbäume vor dem Fenster die in voller Blühte standen und sich im milden Frühlingswindtanz sanft hin und her wiegten. Die Klematis kletterten hartnäckig an den  Holzspalieren empor und überwucherten sie fast mit ihren schönen weißen und mauvefarbenen Blüten.

Auf einen himmelblauen Post It Zettel  schrieb sie ihre Liste de choses à faire:

  • Blumendünger mit Eisen kaufen
und heftete sie mit einem Magnet an die Kühlschranktür, wo unter anderen Zettelchen kleine Post-It-Zettelchen mit kleinen Gedichten oder Gedanken hingen. 
"Maman würde über die "Zettelparade" verständnislos den Kopf schütteln.
"Dafür gibt es Notizbücher und für die Einkaufsliste einen Kopf auf den Schultern" würde sie sagen," dachte Maré und ein Lächeln huschte über ihren Mund und versteckte sich in ihren Mundwinkeln. Auf ihren Wangen zeichneten sich zwei Grübchen ab.
"Denise ich muss einkaufen bevor in die Osterfreizeit fahre. Hast du Lust auf einen Bummel?" tippte Maré eine Sms an ihre neue Freundin.
"Oh, und wie!" schrieb diese knapp zurück.
Maré erinnerte sich an ihren Vater der sie immer tadelte, wenn sie zu viele Worte gebrauchte um einen einzigen Satz zu formulieren, der eigentlich in drei Worte gefasst werden könnte.
"Wie eine viel zu große oder zu kleine Tischdecke, die nicht passen will," lästerte er immer.
"Das ist ein Tischtuch und keine Decke!" konterte Maré dann zurück. 
Noch am gleichen Abend legte er ihr einen Stapel Bücher vor ihre Zimmertür. Duden, Grammatik, Wörterbücher. "Die kannst gut gebrauchen!" stand auf einem Zettel geschrieben.
Maré hätte die Bücher am liebsten vor Wut an die Wand geknallt. Aber sie fürchtete seine Reaktion.

Als ihr Vater dann wegen starken Bauchschmerzen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, erklärte er ihr wo er die ordner mit den Unterlagen aufbewahrte, falls er nicht mehr aufwachen sollte. "Kind ich möchte es nicht, dass jemand meine Windeln wechseln muss, wenn ich datterig werde und mich nicht mehr versorgen kann."
"Es ist heutzutage eine Routine-OP. Du stirbst daran nicht. Sie setzen dir eine Platte ein. Sie stützt deine Bauchdecke und das Darmnetz, weiter einzureißen." versuchte Maré ihn zu trösten. "Wieso hat Mama sich von dir getrennt? fragte Maré leise.
"Glaub mir Kleine, ich würde alles anders machen. Ich war ein Idiot. Eifersucht ist eine verfluchte Krankheit. Sie zerstört die stärkste Liebe. Sie war viel zu jung für mich und eine sehr willensstarke Frau. Die Männer sahen ihr immer hinterher. Ich kochte vor Wut. Weiß du, wie sehr ich sie heute noch liebe? Ich würde alles geben um alles rückgängig zu machen. Alles Kind, verstehst du mich? Ich habe ihr selten gesagt dass ich sie liebe." Maré nickte, aber sie konnte ihn nicht begreifen. Ihr fehlte dieser Faden zu ihm. Trotzdem war sie ihn bis zum letzten Atemzug an seiner Seite. Als hätte sein Herz auf seinen Körper gehört. Es hörte nur eine Stunde nach einer Herniotomié auf zu schlagen. 

Maré duschte, kleidete sich mit einer schwarzen Kordhose und einer milchkaffeefarbenen Baumwollbluse an. Schlüpfte in ihre schwarzen Ledermoccasins, nahm ihren schwarzen Lederrucksack und die Autoschlüssel von der Kommode im Flur und rannte nach draußen.
"Ich muss mein Bohnenkraut endlich bändigen," sagte Maré und fuhr sich durch die lockigen Haare.
"Sag bloß du lässt sie abschneiden!" empörte sich Denise. "Die sind wunderschön."
"Aber ja, wie Bohnenkraut."


Minuten später saß sie aufgeregt wie ein kleines Mädchen im Spielzeugladen, mit ihrer Freundin im Friseursalon.
Die Friseuse gleitete mit den Fingern prüfend durch ihr langes lockiges Haar.
"Nur die Spitzen bitte abschneiden!" bat Maré schüchtern.
Als sie am Waschbecken saß, schloss sie für eine Weile die Augen. 
Nach einer Weile betrachtete sie sich im Spiegel. Ihr Herz hüpfte wie ein Ball und schlug gegen ihren Brustkorb. Der Wischmopp war verschwunden. Ihr Haare kräuselten sich, umrahmten ihr Gesicht und fielen weich und wellig über ihre Schultern.
"Meine Augen kommen zur Geltung." dachte Maré und lächelte. "Ich sehe nicht mehr aus wie ein Teenager."
"Krauses Haar braucht ganz viel Feuchtigkeit. Zwei Mal die Woche waschen und kuren reicht." belehrte sie die Friseuse lächelnd.
Maré ließ ihr den Rest als Trinkgeld.
"Flirtfertig siehst du aus." lachte Denise. 
Maré überhörte sie einfach und schwieg.

In einem Café setzten sie sich in die hinterste Ecke, um sich ungestört unterhalten zu können. Maré bestellte sich einen doppelten Espresso und ein Fläschchen Selters und Denise einen riesengroßen Milchkaffee. 
"Darin kannst dich baden." scherzte Maré und Denise lachte laut auf. 
"Da fehlt was!" kreischte sie kokett und kramte in ihrer Tasche. "Lippenstift. Einen dezenten für tagsüber. Jobtauglich. Und einen für abends. Flirttauglich. Fehlt nur noch ein Flirt." Sie hielt Maré zwei Lippenstifte hin. Einen rosenholzfarbenen und einen kirschroten. 
"Ich schminke mich nicht. Steck die Dinger wieder weg." winkte Maré ab.
"Ein bisschen Farbe und alle Männer glotzen dir hinterher." ermutigte sie Denise kichernd.
"Denise du bist albern. Was habe ich davon? Ich suche niemanden." winkte Maré ab. Sie fühlte wie sich ihre Wangen rot färbten. "Nach Sven, habe ich erst realisiert, dass ich meine Freizeit für mich brauche. Kein richtiger Mann gibt sich mit "nur Freundschaft +" zufrieden."
Denise redete weiter auf Maré ein. "Es gibt zwei Arten von Männern. Die einen sind fürs Leben aber taugen wenig zum Sex, die anderen sind gut fürs Bett, aber ein gemeinsames Leben mit ihnen kannst knicken. Die sind gefühlsarm."
"Denise!" Maré errötete bis zu den Haarwurzeln. Denise lenkte alle Aufmerksamkeit auf sie. "Halt endlich deine Lästerklappe, bitte!"
Denise kicherte wie ein Schulmädchen.
"Na ihr zwei! ?" Ein Pfleger aus der Chirurgie kam auf sie zu. "Ist bei euch noch einen Platz frei?" Er lächelte Maré an.
"Und der taugt zu gar nichts." dachte Maré.
"Für dich immer!" rief Denise aus.
"Aber ja!" sagte Maré leise und nahm ihren Rucksack vom Stuhl.
"Figaro...Figaro" Aber gut seht ihr aus" stellte Adrian fest.
"Musste mal sein. Die Schafe werden auch im Frühjahr geschoren." winkte Maré ab.
Wie Adrian Maré ansah. Seine Augen hatten ein warmes goldbraun. Ihre Blicke trafen sich. Bis anhin hatte sie ihn nie so aufmerksam angesehen.  Er hatte schöne Hände und seine Gesten waren sehr kontrolliert. Er redete nicht viel, schien über etwas verärgert zu sein.
"Wir haben fast die gleiche Augenfarbe," dachte Maré. 
Adrian bestellte sich einen Cappuccino und ein Käse-Schinken-Baguette. "Ich habe Hunger." Er fragte ob er Denise und Maré mitbestellen darf. Beide verneinten höflich. Er aß sehr langsam, tupfte mit der Serviette nach jedem Bissen seine Mundwinkel ab.
 Noch eine Weile saßen sie zusammen, plauderten über den Tag, über Banales, Belanglose, lachten, witzelten miteinander.
"Ich möchte noch in die Stadt. Ich brauche neue Klamotten," stellte Maré fest.
Sie verabschiedeten sich voneinander und Maré und Denise schlugen den Weg zum Einkaufszentrum ein. Adrian blieb schmollend sitzen. 

Maré kaufte sich eine champagnerfarbene Hemdbluse, die ihre Taille betonte, eine dunkelblaue Bundfaltenhose, eine dunkelblaue Strickjacke und ein paar schwarze Sneakers.
"Die untere Grenze von "Langweilig" hast damit erreicht!" tadelte Denise. "Du versteckst damit alles. Du sollst herzeigen. Mehr Haut zeigen. Dein Po zur Geltung bringen. was machst du? Versteckst dich in blickdichten Klamotten."
"Du bist peinlich. Die Leute sehen sich nach uns um. Wir fallen auf wie gackernde Hühner. Die denken wir sind besoffen oder verkifft oder ganz verrückt." schimpfte Maré.
Denise kaufte sich Unterwäschesets, eine himmelblaue Bluse, T-Shirts mit Blumenaufdruck und eine dunkelblaue Jeans.

Zu Hause dachte sie über den Tag nach. 
Sie musste an Adrian denken. 
Als sie sich verabschiedeten fragte er "wie küsst man denn bei euch." Maré errötete bis zu den Haarwurzeln. Sie senkte die Augen und schwieg.
"So!" sie nahm allen Mut zusammen und ihre Lippen streiften hauchzart zuerst seine linke, dann seine rechte Wange. Als ihre Lippen seine rechte Wange streiften, drehte er den Kopf ihn ihre Richtung und sie berührte hauchzart seinen Mundwinkel. Ihr war das zu intim.
"Alors, ich muss weg." stammelte sie. 

"Wie peinlich. Wie soll ich ihm morgen begegnen?" fragte sie sich. "Du Idiotin! Da war doch gar nichts!" schimpfte sie in Gedanken. Sie wusste nicht viel über sein Privatleben. Das Privatleben anderer interessierte sie nicht die Bohne. Anhand vom Dienstplan wusste sie mit wem sie eingeteilt wurde und ahnte wie glatt oder chaotisch der Dienst ablaufen würde. Adrian war ein Guter, der rational, routiniert und ruhig arbeitete und massenweise Haribo verdrücken konnte. 
Als sie eines Tages während der Pause erzählte sie hätte eine Katze namens Teufelchen zu Hause, lachte er laut und nannte sie die ganze Zeit nur noch Teufelchen, bis Maré sich zu ihm drehte und wütend 
"Gummibärchen, halte die Klappe oder ich schneide ab," und die ganze Schichtbelegschaft lachte.
Teufelchen und Gummibärchen machten die Runde bis in die obere Etage.
"Ich will mit der Labertasche nichts zu tun haben!" verscheuchte sie ihre Gedanken.
"Gummibärchen steht auf dich!" schrieb Denise.
"Quatsch!" war Maré's knappe Antwort.
























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