jeudi 11 mars 2021

Es geht nicht weiter


Er lag nackt auf der linken Seite des Boxspringbettes. Das Baumwolllaken unter ihm hatte die Farbe eines aufgewühlten Meeres bei Regen.

Die Deckenlampe über dem Bett, die aussah wie ein leuchtender Igel, zeichnete lange stachelige Schatten an die Decke und auf seine Haut.

Er griff nach ihrer Hand, als sie auf der Bettkante saß und ihren BH aus weißer Spitze mit verwehten Rosenblüten bestickt zumachte. 

"Wieso schläfst du heute Nacht nicht hier bei mir, mit mir?"

Maré sah ihm in die Augen. Sie waren frühlingsmeerblau. Ihr Gesicht spiegelte sich darin. Wie gerne würde sie sich Hals über Kopf in diese Retina, in die Tiefe dieses Augenmeeres stürzen und darin versinken, aber ein undefiniertes Irgendetwas hielt sie zurück.

Ein Blitzgedanke mit der Stimme ihrer Mutter, fragte sie: "versprichst du mir, dass du glücklich wirst, dass du vernünftig bleibst und zurückkommst?"

"Ja!" antwortete sie dem Blitzgedanken lautlos.

"Nein!" sagte sie mit fester Stimme. Sie wollte nicht mehr als nur eine Affaire. Sie waren nur Kommilitonen die sich nach der Vorlesung noch ein paar Stunden zum Lernen miteinander teilten.

"Wuschelkopf, bitte!" Seine Stimme klang flehend.

Zögernd legte sie sich neben ihn. Er drückte sie fest an sich. Für eine weitere kleine Ewigkeit verließ sie ihr Leben, um sich an seine Haut zu pressen, um sich wild und heftig, fordernd und herausfordernd zu küssen, um einen weiteren petite mort zu erleben. Sie waren Körper die sich nach einander sehnten, bis die Muskeln schmerzten, die Küsse auf den Mündern brannten, von dem sich Hingeben, von dem sich Geben, von dem Nehmen, von dem sich Öffnen, bis sie Liebestränen in den Augen hatten. Danach streichelten sie sich erschöpft, ihre Körper aneinander gepresst in den Schlaf.

Mit brennenden Körpern, einem letzten Kuss, einer zärtlichen Umarmung, noch einmal sanft gegen die Flurwand gedrückt, noch einen allerletzten Kuss, noch ein allerletztes Lächeln, kehrten sie am nächsten Morgen in ihr Studentenleben zurück. Fast gleichzeitig ließen sie einander los. Ihre Hände glitten langsam wie in einer Zeitlupe auseinander.

"Worauf habe ich mich denn eingelassen?" fragte sich sich während der Fahrt zur Universität. "Wieso mache ich ihm weitere Hoffnungen? Er sieht gut aus, ist sympathisch, zärtlich und liebevoll, aber für eine Beziehung ist es viel zu früh. Ich kenne seinen Alltag nicht. Er versteht meinen Humor nicht. Er korrigiert jeden grammatikalischen und phonetischen Fehler in meiner Aussprache. Er lacht mich oft aus. Mal bin ich die Ökotante, mal bin ein Wuschelkopf, manchmal sein Uni-Maskottchen. Und er hat den Bogen überspannt, als er mich bestrafte, wie er das abartige Spiel nannte. Jetzt ist endgültig Schluss."

Sie parkte ihr Auto und rannte über die Straße, dann um die Ecke und geradeaus zur Universität.

Es blieben noch fünfzehn Minuten bis zur Vorlesung. Sie setzte sich in eine versteckte Ecke im Flur und las sich durch die Aufzeichnungen vom Vortag.

Während sie las, sang sie leise vor sich hin."Far away from where you are.....and I wish you were here."

Maré sang so entfesselt, als ob ihr niemand zuhört. Ihre Stimme klang leise und warm als wäre sie eingehüllt in einer großen Stille und ausbrechen wollen. Sie wollte den Schmerz mit einem Lied übermalen, übertönen, überhören. 

"Wow, war das schön!" hörte sie plötzlich eine Frau sagen. Maré erschrak und ihr Gesicht färbte sich bis zu den Haarspitzen rot. "Wie peinlich ist das?" dachte sie.

"Denise! Wieso zum Teufel schleichst du dich so an?" fuhr Maré ihre Kommilitonin an.

"Damit ich dich singen hören kann." lachte Denise. "Du kannst gut singen."

"Quatsch!" winkte Maré ab. "Mit einer flüsternden Stimme, würde ich nicht einmal mit dem Kinderchor mithalten können.

"Ich habe gehört, dass Sven und du zusammen seid. Du siehst so wunschlos glücklich aus Kind. Wieso erzählst du mir nichts davon? schmollte Denise."

"Waaas?" Maré viel aus allen Wolken. Wie bitte? Wer hat dir das erzählt?" hakte Maré nach.

"Na, er hat es dem Patrick erzählt und der der Frauke und mir." sagte sie lachend. "Ihr seid doch grundverschieden. Ihr passt nicht zusammen. Was willst du mit dem?"

"Wir hatten ein ein paar Mal Sex miteinander. Ist doch  viel zu früh umm über eine Beziehung nachzudenken. Geht das hierzulande so schnell voran? Also bei uns lässt man sich mit Beziehung und Zusammenziehen schon etwas länger Zeit."

"Ihr habt doch schon miteinander mehrmals gefögelt. Da macht sich einer normalerweise schon mal Hoffnungen. So geht das hier." sagte sie als wäre sie von mir enttäuscht. "Er hat aber erzählt, dass er auf der Suche nach einer neuen gemeinsamen Wohnung seid?"

"Er sucht sich eine Wohnung, da er raus will aus seiner Studentenbude. Da habt ihr etwas misverstanden." Maré fand die Fragerei viel zu persönlich, viel zu intim.

"Wir leben im 21 Jahrhundert Kind." Maré fühlte sich in eine untere Schublade gesteckt. "was heißt normalerweise? Gibt es dafür auch schon Regeln?" Maré's Nervenstänge liegen blank, wie gerissene Seile. Sie fühlte sich wie ein Blatt im Herbstwind. Abgerissen, durchwirbelt und fallen gelassen.

"Wie geht es mit euch weiter? Denise hatte eine Ungeduld in ihrer Stimme, die bei Maré zu jenem Zeitpunkt nicht gut ankam. 

"Ich weiß es jetzt noch nicht." antwortete Maré mir einem aggressiven Unterton in der Stimme. Sie atmete tief ein und sagte fest entschlossen: "Gar nicht."

"WOW" Wuschel du bist eine Blitzentscheiderin! Bravo!" antwortete Denise etwas enttäuscht. Komm, wir sind Freundinnen. Ich erzähle niemandem etwas davon!"

Innerlich schrie Maré auf. "Ich will den nicht! Der bestimmt nicht über mich."

"Denise, es geht nicht weiter. Ich mag sein bestimmendes Verhalten nicht. Wenn es nicht nach seinen Vorstellungen geht, ist er eingeschnappt und redet nicht mit mir. Ich habe es satt immer die Wogen zu glätten. Ich blieb einmal über Nacht bei ihm und ich hatte keine Decke um mich zuzudecken, weil er meinte "Strafe muss sein, da ich vorerst nicht bleiben wollte. Ich habe meine Jacke angezogen und fror trotzdem, weil er keine Heizung eingeschaltet hatte."

"Du, Maré, ich habe schon gehört, dass er eigen sei. Patrick, sagte, wehe du erzählst es jemand, Sven hätte seine frühere Freundin sogar georfeigt. Also wenn du mich fragst, glaube ich es auch."

"Denise, bitte, ich möchte nicht mehr über ihn reden." flehte Maré. Die Angst legte sich wie ein Umhang über ihre Schulten und schien sie niederzudrücken.

Nach der Vorlesung schrieb sie ihm eine sms.

"Ich will dich nicht mehr sehen und nicht mehr hören. Verpiss dich aus meinem Leben. Du bist kein Mann, du bist ein Idiot! Du verfluchtes Arschloch!"

"Ich verstehe nicht was du meinst, aber ich rufe dich in zehn Minuten zurück, dann kannst es mir erklären." blinkte Maré's Handy eine Nachricht. 

"Ich muss dir nichts erklären du Tratschmaul" schrieb sie zurück. 

Danach fuhr Maré nach Hause. Um zu lernen war sie viel zu aufgewühlt. Sie rief am Abend ihr besten Jugendfreund Stéphane an.

" Nun ja, du hast ihm mehr als nur Hoffnungen gemacht. Entweder hat er sich in dich bedingungslos verknallt, oder aber er kann wirklich nichts für sich behalten. Solche emotionsinkontinente Menschen gibt es auch. Man(n) genießt und schweigt und bemüht sich, dass es weiter geht. Und wenn es dann nicht weiter geht, sollte man gehen. Man muss nicht immer befreundet bleiben. Man trennt sich und legt alles ad acta. Halte dich einfach ganz zurück mit Flirts und Sonstigem. Es ist nicht deine Welt. Bist unvernünftig."

"Sag mir Stéph, warst du schon mal so richtig verliebt? So mit allem Drum und Dran und Drin?" fragte Maré um ihre Wut auf Sven etwas abzumildern.

"Drum und Dran und Drin?" lachte Stéphane auf. "Wenn du mir erklärst was su damit meinst."

"Du lernst jemanden kennen...." 

"Wenn ich sie sehen würde....." Stéphane's Stimme klang bedrückt.

"Unterbrich mich bitte nicht, ja?!" tadelte sie ihn.

"Pardon! Wenn ich jemanden kennen lernen würde...." wiederholte er.

"Da passiert doch etwas..." stotterte Maré

"Was soll da passieren? Bin gespannt..."

"Denke nicht sexualisiert. Ich bin deine Freundin" schrie sie.

Stéphane lacht laut auf. 

"Meine Götter, hör auf zu lachen. Mein Ohr tut schon weh,"

"Du meinst man verliebt sich auf den ersten Blick in jemanden, man vermisst diesen Menschen, man sehnt sich nach ihm und man trägt ihn Tag und Nacht in seinen Gedanken?" fragte Stéphane leise. Meine Antwort: Ja. Aber was soll die Frau denn mit einem Mann anfangen. Irgendwann muss sie mich mit einem Blindenhund teilen."

"Halt die Klappe! Ja das meinte ich. Le fil rouge - der rote Faden. Du kennst die Geschichte mit den roten Fäden, die sich miteinander verknüpfen, die sich ineinander verflechten und egal wie einer daran zieht, der Faden reißt nicht."

"Die Geschichte kenne ich, aber der rote Faden ....du fragst mich Dinge....nein der rote Faden ....sprechen wir über dich Maré. Wie kommst du aus dem Chaos heraus? Sprecht euch noch einmal aus. Sage ihm das was du mir gesagt hast. Dass du es langsam angehen möchtest und dass er mit eurer Beziehung nicht hausieren geht."

"Ich will ihn nicht mehr sprechen. Ich würde ihm nicht mehr vertrauen. Wer weiß wie er sich in einer Beziehung verhält. Du weisst doch wie schwer es meine Eltern hatten. Ich will so etwas nicht." antwortete Maré mit einem zurückgenommenen Ton der ihrer Stimme Traurigkeit verleihte.

"Wieso diese Angst Maré? Nicht jeder Mann ist wie dein alter Herr, der dir zwar ein guter Vater war, aber kein guter Ehemann für deine Maman. Du kannst doch entscheiden mit wem du eine Beziehung führst, mit wem du eine Affaire willst und wen du heiratest. Was andere über dich denken mögen, kann dir doch egal sein. Du lebst dein Leben und die anderen ihr eigenes Leben. So einfach ist es. Du kannst das. Und denke daran Hypothesen und Gefühle sind keine gute Grundlage um endgültige Entscheidungen zu treffen."

"Er hat etwas Merkwürdiges an sich und in sich. Egal was ich sage, oder wie ich es sage, er tut so als würde ich eine ihm unbekannte Sprache sprechen. Er akzeptiert keine Diskussionen. Er nennt sie Wiederworte. Ich habe bei ihm übernachtet. Zuerst wollte ich nach Hause um zu lernen, da ich noch einiges nachzuholen habe. Dann entschloss ich mich zu bleiben. 

Mitten in der nacht zog er mir die Decke weg und meinte, das wäre die Strafe, weil ich nicht bei bleiben wollte. Ich entschuldigte mich, redete auf ihn ein. Er lachte und sagte: "Klappe oder du fliegst aus dem Bett."

Ich zog mich an, drohte ihm mit der Polizei, wenn er mich nicht gehen ließe.

Er lachte und meinte es wäre doch nur Spaß. Er wollte meine Reaktion testen."

"Du Liebes, du musst ihn einzeigen! Zeige ihn an! Höre auf deinen besten Freund Stéph, zeige ihn an. Liebes soll ich meine Maman bitten dich abzuholen. Du kannst dich bei uns verstecken. Du weißt Liebes, sie würde sofort losfahren dich zu holen."

"Nein, Stéph. ich versuche es so zu regeln. Aber ich bin dir dankbar für deine Hilfe und für deine Freundschaft." Sie hätte gerne noch "für deine Liebe" gesagt, aber sie fühlte nicht diese erotische Liebe für ihn, sondern eine tiefe innige Freundschaft. Wenn man in einem Rudel  Kinder aufwächst, sieht man sie als Geschwister.Sie sah ihn wie einen ihrer Brüder an.

Sie verabschiedeten sich voneinander mit dem Versprechen sich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

Am Ende einer Liebe
schließt sich das Leben
wie ein Regenschirm,
bis zum nächsten 
Liebesregen

©Émilia


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