mardi 13 avril 2021

Kopf hoch....

Wieder eine ihrer unzähligen Nächte, in der die Schlaflosigkeit sie fest in ihren kalten Armen hielt und sie verzweifelt nach ein paar kostbaren Sekunden Schlaf suchte.

"Ob Denise mich mit Adrian verkuppeln möchte, weil Adrian in letzter Zeit immer wieder meine Nähe sucht? ....So fies ist Denise nicht."

Er ist witzig, hilfsbereit und nett, ein guter Kollege und manchmal total kindisch wie ein fünfjähriger Kindergartenjunge der seine Grenzen testen möchte. Schnell genervt wenn man ihm nicht beipflichtet, wenn er mal wieder "Ordnung in den Saustall" wie er es zu nennen pflegt, macht weil nach seiner Auffassung alle zu faul dafür seien. Mehr weiß Maré nicht über ihn. Und über das Besondere, über das Eigentliche hatte sie sich nie Gedanken gemacht. Er hatte schöne Augen und lange dunkle Wimpern die im Licht Schatten auf seine Wangen warfen und feine halbfertige Gesichtszüge. Wie ein nie erwachsen werden wollender Junge. Wie ein Küken, dass nicht aus der Schale schlüpfen kann. Mehr fiel ihr nicht auf.

"Wie ich fünf Jahre Studium hinter mich gebracht habe, werde ich diese drei Jahre auch noch hinter mich bringen. Und dann bin ich hier weg. So schnell werde ich mich nicht mehr in eine Beziehung fallen lassen, in der ich nicht das Eigentliche finde, in der ich nicht einfach aus dem Herzen gefühlt sagen kann - "ich bin gerne bei dir. Mit dir ist es schön und interessant. Ich mag deine Gedanken, deine Hände, deine Stimme und deine Worte, wie du sie aneinanderreihst, wie du Sätze bildest. Ich kann dich bejahen. Woran es liegt? Ich glaube mein Herz sagt irgendwie bedingungslos"Ja" zu dir. Eine andere Antwort weiß ich nicht, um mich zu erklären. Du hast Constance. Das sagt man auf französisch wenn man jemanden von innen sehen kann. Also sein Herz sehen kann. - wenn ich das bei niemanden finde hat es keinen Sinn mit ihm eine Beziehung zu beginnen, oder zu führen." dachte Maré, während sie ein deutsches Synonym für Constance suchte. Beharrlichkeit, Ausdauer, Unmenge an Geduld, Stetigkeit. 

"Constance - Unmenge innere Geduld. - so ist es genau richtig für mich!" entschied sie. "Wenn ich das nicht in jemanden finden kann bin ich weg."

Maré nahm ihr Handy vom Nachttischschränkchen und schrieb Denise eine Sms.

"Hast du Adrian erzählt, dass wir im Café sind?" 

"Nein, Wieso sollte ich?" schrieb Denise prompt zurück. 

"Es schwänzelt zu viel um mich herum. Irgendetwas an ihm stört mich. Seine kindische, bockige Art. Mir wird ganz komisch in seiner Nähe."

"Schmetterlinge?"

"Angstraupen!"

Sieben Lachsmiley waren Denise's Antwort

"Wann fährst du nach Hause?" schrieb sie weiter.

"Am Freitag nach der Vorlesung" antwortete Maré.

"Klasse und ich sitze allein hier. Die meisten aus der Clique fahren weg. Kann mir keinen Urlaub leisten. Spare für den Semesterurlaub. Habe meine Studiengebühren für zwei Semester bezahlt. Mehr geht nicht diesen Monat nicht."

"Wenn du magst kannst mitfahren? Wird richtig fetzig werden."

"Und deine Familie? Deine Oma wird mit dir schimpfen."

"Oma kennt das, dass wir immer jemanden anschleppen. Sie fühlt sich in ihrem Element als Gastgeberin. Und Oma ist die beste Omi der Welt. Oma hat nur eine etwas ruppige Art. Wenn sie jemanden mag, ist sie richtig goldig.  Und du brauchst nichts zu bezahlen. Kannst es dir überlegen."

"Wir reden Morgen darüber. Bye"

Maré drehte sich auf die linke Seite und versuchte einzuschlafen. Die Stille der Nacht hüllte sie ein und sie konnte ihren eigenen Herzschlag hören. Sie lauschte ihre rhythmischen und ruhigen Herzschläge. 

"An nichts zu denken, soll beim Einschlafen helfen." redete Maré auf sich ein. 

Der Regen prasselte laut an die Fensterscheiben. Die Rolläden tanzten mit dem Wind um die Wette. Es hörte sich an, als würde jemand ans Fenster klopfen.

"Die Natur hat ebenso ihre Emotionswirbel wie ich." dachte Maré.

Die Zeit verging, sekundenweise, herzschlagsweise, tropfenweise. Maré schlief immer noch nicht. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere. 

Irgendwann hüllte sie der Schlaf ein, wie in eine warme flauschige Decke.

"Kopf hoch.....du versteckst dich, du zeigst nicht was du hast. Kopf hoch....senke die Augen nicht zu Boden..... halte die Stirn oben....wo ist deine Lebendigkeit....wo ist deine Wildheit....sie nach oben....zeig was du kannst....." hörte sie jemand sagen. "Omi?!" 

Ihre Oma stand gerne im Mittelpunkt. Sie stand immer in der ersten Reihe. Sie hatte Stimme, sie hatte Mut und sie hatte Ausdauer.

Maré schreckte hoch. Ihre verschlafenen Augen wanderten durch das Zimmer, zur Tür. "Ist doch niemand da. War nur ein Traum." dachte sie.  Dann legte sie den Kopf auf das große Federnkissen, zog die Decke bis zum Kinn und hielt inne. Der Schlaf hüllte sie erneut ein. 

Irgendwann schreckte sie erneut hoch. Der Tag zeigte sich durch die Rollladenrillen. "Ich habe verschlafen. Das Handy hat nicht geklingelt. Merde!"

Dann fiel ihr ein sie hatte ja Freizeit. Sie hatte weder Vorlesung noch Dienst. 

Sie ging zurück ins Bett, zog die Decke über den Kopf und versuchte weiter zu schlafen. "Die Augen zu schließen und an nichts zu denken, funktioniert nicht immer," dachte sie enttäuscht.

Sie machte sich für den Tag fertig. Ein paar Einkäufe waren noch zu erledigen. Der allerletzte Besuch bei ihrer Maman war noch kein ganzes Jahr her. Seitdem fühlte sich Maré nicht mehr wohl zu Hause. Seit der Beerdigung war Maré nicht mehr zu Hause. 

Beim allerletzten Besuch, hatte ihre Maman sich über ihre Unterwäsche ausgelassen.

"Trägst du immer nur Sport-BH und  Panties? Das ist Mädchenunterwäsche. Du bist doch erwachsen, Du bist eine junge Frau. Du solltest Sets tragen, Spitze und nicht diese albernen Mädchenschlüpfer." Sie hob die Panties noch hoch. Nächstes Mal ziehst dich etwas weiblicher an. Achte auf deine Kleidung ab jetzt. Ich sehe dich nur in Jeans, Pulli und Sportunterwäsche. Ich habe nur ein Mädchen, also solltest du dich schön kleiden.

Maré wollte beim Unterwäschekauf allein sein. Sie frühstückte und fuhr in die Stadt.

"Besteht dein Urlaubsangebot noch?" las sie die Nachricht von Denise.

"Aber ja. Kannst packen und wir fahren direkt nach der Vorlesung ab. Ich hole nur Teufelchen und den Katzenkorb ab, dann fahren wir los. Ich hole dich vor der Vorlesung ab."

"Yipee! Maré du bist ein Schatz! ich freue mich schon! schrieb Denise zurück.

Am nächsten Morgen luden sie Denise Gepäck in Maré's Auto.

Nach der Vorlesung, verfrachteten sie noch den Katzenkorb mit Teufelchen auf den hinteren Sitz, schnallten den Korb fest und fuhren los.

"Dein Bruder sieht richtig gut aus. Wow! Genau mein Typ" schwärmte Denise.

"Finger weg, er ist verheiratet und hat eine Tochter." klärte sie Maré auf.

"Waaas? Er sieht so "solo" aus." Denise Stimme klang enttäuscht.

"Was heißt "solo" aussehen?" Maré wunderte sich über die Redewendung.

"Er hat mich genau angesehen, er hat mich fixiert. So sieht man keine Frau an wenn man verheiratet ist." erklärte ihr Denise.

"Ich weiß nicht wie mein Bruder Frauen ansieht, ich habe ihn nie beobachtet wie er auf Frauen zugeht. Er ist aber verheiratet. Seine Frau ist sieben Jahre älter als er. Lange Geschichte, Denise. Bei Gelegenheit erzähle ich sie dir. "

"Nicht schön?" fragte sie neugierig.

"Nicht schön!" wiederholte Maré. "Tja da hat er etwas verpasst. Aber er hat sich entschieden." Maré's Augen füllten sich mit Tränen. "Er hat es nur verstanden meiner Mutter das Herz zu brechen, bevor sie ging."

"So schlimm? Entschuldige, ich wollte dich nicht traurig machen." sagte Denise leise.

"Tust du nicht. Es ändert nichts an der Tatsache ob ich darüber rede oder nicht. Fabian zieht mich immer runter. Auch wenn er gut und bestimmend und einnehmend aussieht, er ist es nicht."

Maré redete alles vom Herzen. Die schlaflosen Nächte, das Babysitten, das Zwischendurchlernen und über ihre Ängste.

"Wow!" rief Denise aus. "Heftig! ich muss dir sagen, dass du das alles hervorragend hinbekommst. Ich dachte immer du bist der glücklichste Mensch der Welt. Hast deine Familie um dich, kriegst immer Kohle zugesteckt, die Kerle sehen dir hinterher. Ich dachte immer du hast viele Dates und bist arrogant und wählerisch."

"Ich arrogant?" wunderte sich Maré. "Du bist die erste, die mich als arrogant einschätzt."

"Männern gegenüber!" berichtigte Denise.

"Das mit Sven hat vorerst gereicht. Und für irgendwelche Flirts oder One-night-stands bin ich nicht gemacht. Dafür bin ich zu schüchtern. Für alles andere lasse ich mir Zeit. Ich will mein Leben nicht mit Mann und Kind teilen. Dafür ist es noch zu früh und diesen Stress will ich nicht. Die Kerle sind alle so besitzergreifend. Die wollen immer gleich eine Beziehung."

"Beziehung ist doch schön!" schwärmte Denise.

"Ich bitte dich! Ich brauche meine Unabhängigkeit. Und das Besondere...du weißt ....habe ich dir schon gesagt....ich vermisse das Besondere."

"Und woher willst du wissen, ob du dein "Besonderes" nicht bei Adrian findest?" Denise ließ nicht locker.

"Sie ihn dir an? Er wirkt gestresst, ist aufbrausend und dann wiederum stumm wie ein Fisch und gedankenverloren. Ja nein, er wirkt so unreif. Merkst du nicht wie oft er seine Hände desinfiziert, seine Mundwinkel abwischt und jeden anpöbelt, wo er mit seinen Händen vorher war? Ich habe ihn noch nie in Jeans gesehen. Er ist immer herausgeputzt als würde er zu einer Feier gehen. Einen erwachsenen hilflosen Kommunionbubi brauche ich nicht in meinem Leben."

"OK. Abgehakt! Es gibt zu viele Svens auf dieser Welt." 

"Und Adrian ist auch einer. Weg mit ihm!" bekräftigte Maré.

"Was ist mit dir und....dieser Markus." fragte Maré. "Läuft da etwas oder liebt ihr schon?"

"Ich bin nicht lebensmüde. Nur so bisschen....du weiß schon...Antistresssex." lachte Denise.

"Das reicht dir?"

"Vorerst schon. Ich lasse es langsam angehen. Andere Mütter .....du weißt schon."

Sie hatten noch ca. zwei Stunden Fahrt vor sich. Jede genoss auf ihre Art die vorbeiziehende Landschaft, die Musik, die aktuellen Nachrichten im Radio. .

"Oh, oh, ich verstehe nur Bahnhof. Die reden so schnell, ich verstehe kein einziges Wort obwohl ich Französisch im Leistungskurs hatte. Spricht ihr auch so schnell?" Denise hatte Angst sie würde da  nichts verstehen.

"Aber nein!" Maré wollte ihr die Angst nehmen. "Es kommt auf die Region an, aus der man kommt. Am Oberhein orientiert man sich nach der Schweiz und am Unterrhein eher nach dem Schwäbischen. Es gibt auch eine Mischung davon. An einem Ort spricht man so und ein paar Kilometer weiter spricht man wieder anders. Aber man versteht sich untereinander. Französisch wird hier viel langsamer gesprochen als in Paris. Man weiß, aus welcher Region jemand kommt. Die Sprache variert wie in anderen Ländern auch. Man versteht uns, wenn man nicht ganz sprachlich unbegabt ist."

Denise schien erleichtert.

"Wir sprechen zu Hause Dialekt und auch noch sehr viel Deutsch. Französisch kommt nur vor wenn wir etwas Behördenkram erledigen, denn dafür kennen wir oft nur die französischen Begriffe. Und keine Angst, Oma frisst keine Menschen und mein großer Bruder ist nett und höflich und meine Schwägerin spricht Deutsch, da sie aus Kehl kommt. Aber meistens sind wie bei meiner Oma. Und wenn es die Zeit und die Umstände zulassen, fahren wir ans Meer."

"Danke, dass ich nicht gefressen werde!" lachte Denise. Sieht dein Bruder René auch so gut aus wie Fabián?" 

"Hey! Augen und Finger weg. Der ist auch verheiratet. Und ja, er sieht meiner Maman sehr ähnlich." Maré schüttelte den Kopf.


"Hast du es schön hier!" rief Denise aus, als sie an der Einfahrt vor Maré's Großelternaus anhielten und ausstiegen. "Ruhig hast es hier. Viel zu ruhig." sagte Denise die im Großstadtlärm aufgewachsen ist meicht enttäuscht.

"Es wird gleich lauter. Lach nicht darüber. Oma nennt mich Herzchen." 

"Wie süss!" rief Denise aus. "Meine Mutter und ich giften uns nur an. Und Vater hält sich raus. Ich muss schleunigst ausziehen."

"In jeder Familie wird gestritten, tröste dich." Maré kannte das nur zu gut.







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